«Tiere» in SPUREN Nr. 55/2000

Ihr siebter Sinn

Der Biochemiker Rupert Sheldrake rüttelt an den Grundmauern der Wissenschaft: Er ruft auf zu telepathischen Versuchen.

Von Susanne Seiler

Seit Rupert Sheldrake in seinem Buch Sieben Experimente, die die Welt verändern könnten zur Revolutionierung des wissenschaftlichen Denkens durch jedermann und jede Frau aufrief, sind fünf Jahre vergangen. Seither hat er sich hauptsächlich mit Haus- und Nutztieren beschäftigt, allem voran mit Katzen und Hunden.

In seinem neuen Buch Der siebte Sinn der Tiere stützt sich Sheldrake auf Berichte von Tierbesitzern aus aller Welt sowie auf ausführliche eigene Experimente, die aufzeigen, dass Tiere über erstaunliche intuitive Fähigkeiten verfügen. Sie wissen oft nicht nur lange im Voraus, dass Herrchen oder Frauchen heimkehren wird, dass sie zum Tierarzt müssen, ihnen die Jungen weggenommen werden, sondern auch, wann ein geliebter Mensch stirbt oder verunfallt. Andere Tiere wiederum finden über unglaubliche Distanzen ihren Weg nach Hause oder sie spüren Katastrophen wie Erdbeben oder einen individuellen Epilepsieanfall voraus.

Rupert Sheldrake und seine Mitarbeiterinnen, zu denen auch ich gehörte, definierten 26 solcher Kategorien, die vom Schweissfurth Institut in München und einer Assistentin Sheldrakes ausgewertet wurden. Alle diese Verhaltensweisen zeigen auf, dass Tiere über telepathische Fähigkeiten verfügen. Ihre Kommunikation &endash; auch mit Menschen &endash; scheint durch ein soziales respektive morphisches Feld gesteuert zu werden.

Rupert Sheldrake belässt es aber nicht beim Instinkt der Tiere, denn auch wir Menschen verfügen über einen siebten Sinn, der eine telepathische Wahrnehmung nahe legt. Dabei sprechen wir von «Gedankenübertragung» oder nennen es Intuition, ein Begriff, der eine intelligente Wahl «aus dem Bauch heraus» meint, aber keine Klarheit darüber bringt, was das eigentlich ist. Konkret geprüft wird beispielsweise das Gefühl, angestarrt zu werden. Bei anderen Versuchen geht es um Grundkonstanten in der Physik und deren Variationen. Da wird beispielsweise aufgezeigt, dass die «ewigen Gesetze» einer mechanistisch verstandenen Natur Veränderungen unterliegen wie etwa die Abnahme der Lichtgeschwindigkeit seit 1928.

Mein Lieblingsexperiment unter den sieben veröffentlichten führt direkt ins Herz der Wissenschaft. Wie schon bei den Starrversuchen geht es darum zu beweisen, dass unser Bewusstsein sich wie ein Feld und nicht wie ein Punkt verhält: Das Bewusstsein reicht über unser Gehirn hinaus und kann einen direkten Einfluss auf seine Umwelt nehmen. Das mag Ihnen einleuchten, doch in den «harten» Wissenschaften tut man sich schwer, diesen unsichtbaren Einfluss zu akzeptieren, obschon jeder Quantenmechaniker, Psychologe oder klinische Mediziner weiss, dass der Be -obachter durch seine Erwartung das Resultat seines Experiments beeinflusst.

Kurioserweise erhalten nämlich nicht alle Chemiker, die denselben Versuch unternehmen, dasselbe Resultat. Es verhält sich aber nicht unbedingt so, dass ein schlechter Chemiker schlampiger mit seinen Geräten und Rohstoffen umgeht als ein erfolgreicher, vielmehr dürfte es dem einen an Vorstellungskraft mangeln: Er kann sich das Resultat seines Versuchs nicht plas -tisch genug vorstellen und deshalb auch nicht dorthin gelangen. Das bringt uns zur Kernfrage, wie viel von unserer Wirklichkeit wir durch unsere Gewohnheiten selbst schaffen, und führt uns wieder zu den morphogenetischen Feldern, welche die Natur und alles in ihr «zusammenhalten».

Kehren wir abschliessend zu den aussergewöhnlichen Fähigkeiten von Tier und Mensch zurück. Rupert Sheldrake schlägt folgendes Experiment vor, für das Sie kein Tierbesitzer sein müssen: Legen Sie Notizblock und Stift neben das Telefon und notieren Sie eine Woche lang jedes Mal, wenn es klingelt, wen Sie am anderen Ende der Leitung erwarten. Im Erfolgsfall kommentieren Sie diese Notizen im Nachhinein, indem Sie etwa festhalten, wie wahrscheinlich es war, dass Sie wissen konnten, wer anrufen würde. Ergebnisse bitte melden an: www.sheldrake.org. Viel Spass!

Literatur: Der siebte Sinn der Tiere.

Warum Ihre Katze weiss, wann Sie nach Hause kommen, und andere unerklärte Fähigkeiten der Tiere, Scherz Verlag, Bern 1999, 416 Seiten, Fr. 39.80

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