Der Mann, der das Wasser bewegt PLUS ESSEN + TRINKEN / Seit Wolfgang Gutberlet bei der Produktion von Lebensmitteln mit 'vitalem Wasser' experimentiert, hat sich der Umsatz seiner Firma verzehnfacht Wolfgang Gutberlet ist einer, der gern neue Wege geht. Als der heute 54jährige Diplomkaufmann im Jahre 1973 den Betrieb seines Vaters übernahm, war die Firma Tegut ein ganz normales mittelständisches Unternehmen. In 53 ganz normalen Filialen bot man ganz normale Lebensmittel an: Fleisch, Obst und Gemüse, Backwaren und Milchprodukte. Man machte damit einen ganz normalen Umsatz in Höhe von 206 Millionen Mark, nicht spektakulär, aber auch nicht besorgniserregend. Dann kam der junge Gutberlet. Besucht man heute die Firma Tegut in Fulda, fühlt man sich eher in die Aula einer Waldorfschule versetzt als in die Zentrale eines Unternehmens mit zwei Milliarden Mark Jahresumsatz und 8500 Beschäftigten. Licht flutet herein, künstliche Bäche plätschern, Wände sind in frohem Pastell gehalten, Sitzgruppen aus unbehandeltem Weichholz gefertigt. Die Angestellten arbeiten zwischen Hängepflanzen und Mooskübeln in Feuchtbiotopen-gleichen Großraumbüros und genießen einen phantastischen Ausblick über die Ausläufer der osthessischen Mittelgebirge. Doch Firmenchef Gutberlet ist weit entfernt von Anthroposophie und Steinerschem Glückseligkeitsdenken. Er will einfach seinen Kunden 'gute Lebensmittel' liefern - und damit natürlich auch gute Umsätze schreiben. In seinen 390 Lebensmittelmärkten im Umkreis von 200 Kilometern um Fulda bietet er vorwiegend Biologisch-Dynamisches an, ohne allerdings viel Aufhebens darum zu machen. 'Wir verkaufen keine Ideologien, sondern Realitäten', sagt er. Kurz: Was gut schmeckt, wird auch gern genommen. Jüngstes Ergebnis von Gut-berlets Grübeln nach Verbesserung ist eine weltweit einzigartige Methode zur Aufbereitung von Trinkwasser. Der Unternehmer und sein Bäckereileiter Eckhart Schlinzig entwickelten die Entdeckung eines Lübecker Physikers weiter, wonach sich die Qualität von Wasser verbessert, wenn man es bewegt. Gutberlet: 'Tiere trinken das Wasser auch nicht direkt an der Quelle, sondern erst, wenn es ein Stück geflossen ist.' Physikalisch ist bislang kaum zu erklären, was dabei mit dem Naß passiert. Daß es dabei mit Sauerstoff angereichert wird, langt als Begründung kaum. Weitere Erkenntnisse sollen die Untersuchungen eines von Wolfgang Gutberlet beauftragten Labors bringen. Die ersten - wissenschaftlich nicht abgesicherten - Erfahrungen mit dem bewegten Wasser erinnern eher an die Machenschaften eines Druiden, der in Vollmondnächten seinem Backzwang nachgeht. 'Unsere Bäcker dachten anfangs, bei uns dreht's da oben nicht mehr richtig', erinnert sich Gutberlet an das Jahr 1991, als er erstmals sein 'vitales Wasser' in die Maschinen der konzerneigenen 'Herzberger Bäckerei' einspeiste. Doch die Spötter verstummten schnell. Die Biobrote gingen auf wie nie, wie von Geisterhand wurden aus knubbeligen Öko-Mutzen aromatisch duftende, lockere Laibe. Obendrein stellte sich rasch heraus, daß die neuen Brote besser mundeten, länger frisch blieben und später schimmelten als die auf herkömmliche Art gebackenen. Mit dem Wildwasser versetzte Weißbrotteige kamen zudem mit weit weniger Hefe aus. Gutberlet erklärte sein Modell für serienreif und meldete es zum Patent an. Ständig entwickelte er neue Aufbereitungsanlagen, vor zwei Jahren schließlich ließ er im Hof vor der Bäckerei einen 12,25 Meter hohen gläsernen Turm bauen. In ihm plätschert das Wasser kaskadenartig über 41 Granitsteine in die Tiefe, um dann direkt in die Herzberger Teigmaschinen gepumpt zu werden. Pro Tag passieren sieben Kubikmeter Wasser den osthessischen Turmozean, gut für 14 000 Brote und 100 000 Brötchen. Längst experimentiert Gutberlet mit anderen Verwendungszwecken. Versuche in der eigenen Großmetzgerei versetzten die Fleischer in Verzückung. Gutberlet: 'Das sind Leute, die spüren das Wetter an der Wurst.' Diese Spezialisten stellten fest, daß ihre Fleischwurst bei Verwendung des Wunderwassers mit weit weniger Nitriten, Gewürzen und Geschmacksverstärkern auskommt. Auch zum Putzen der Bäckerei wird die Entdeckung benutzt, das spart Reinigungsmittel. Gutberlet: 'Das Wasser nimmt Schmutz viel schneller auf und gibt ihn schneller wieder ab.' Brauereien haben schon Interesse angemeldet. Den wichtigsten Beweis, daß die Wasserwirbelei keine Spinnerei ist, lieferten die Kunden. Bereits zwei Jahre nach der Einführung des vitalen Wassers waren die Um-sätze der Herzberger Bäckerei mit Brot und Brötchen um das Sechzigfache gestiegen. Und das, obwohl Gutberlet es vermied, mit dem Wasser zu werben. So stellte er in Um-fragen fest, daß 99 Prozent sei-ner Kunden nichts von dem nassen Wunder wußten - und trotz leicht erhöhter Preise sein Brot kauften. 'Den Leuten schmeckt's einfach', freut sich Gutberlet. Das bringt Umsatz - und der freut den Firmenchef im Grunde am meisten. In diesem Punkt ist Wolfgang Gutberlet ganz konservativ - auch wenn er sonst einer ist, der gern neue Wege geht. MICHAEL HERL Eine patentierte Idee fürs Wasserwunder - das interessiert auch die Bierbrauer